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Zufriedenheit als Schlüssel zum Erfolg? Ein Perspektivwechsel mit Annemarie Fajardo auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Pflege

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Im Laufe ihres beruflichen Werdegangs durfte Altenpflegerin und Pflegepionierin Annemarie Fajardo bereits viele Facetten der Pflege kennenlernen. Mit langjähriger Branchenerfahrung und umfassender Fachexpertise setzt sie sich heute für eine noch bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Pflege sowie für die Weiterentwicklung bestehender Organisationskonzepte ein. Im gemeinsamen Gespräch betrachten wir die Bedeutung der richtigen Work-Life-Balance aus verschiedenen Perspektiven des Pflegealltags und sprechen über Zukunftspotenziale, die zum nachhaltigen Erfolg von Pflegediensten und Einrichtungen beitragen können.

 

Annemarie, die Themen New Work und Arbeitgeberattraktivität beschäftigen die Pflegebranche durch den anhaltenden Fachkräftemangel stark. Um den neuen Herausforderungen gerecht zu werden, steht vor allem eine ausbalancierte Gewichtung zwischen Privat- und Berufsleben auf der einen Seite, aber auch das Gleichgewicht in der Pflege selbst im Fokus und somit die Frage, wie man mehr Zeit für das Wesentliche schaffen kann. Wie nimmst Du die derzeitige Entwicklung wahr?

Annemarie Fajardo: Der Themenbereich Work-Life-Balance ist erst einmal sehr umfangreich. Aus Sicht einer Pflegefachkraft geht es dabei vor allem um den Faktor Zeitmanagement und die Frage, wie ich mich selbst so gut organisieren kann, dass ich meine berufliche Tätigkeit nicht aus den Augen verliere und meine Kapazitäten gleichzeitig nicht überstrapaziere. Ich selbst bin jetzt schon seit zwanzig Jahren in der Pflege tätig und habe auf diesem Weg verschiedene Perspektiven einnehmen dürfen. Dabei habe ich auch mal länger gearbeitet oder bin für KollegInnen eingesprungen, aber wenn es um die Dienste selbst geht, muss ich mich als Pflegefachkraft neben meiner eigentlichen Tätigkeit häufig um vieles kümmern, was über die Pflege selbst hinausgeht. So entstehen relativ schnell Überstunden und Mehrarbeit, deren Anteil immer weiter ansteigt. Daraus resultiert eine Mehrbelastung, die in den letzten fünf bis zehn Jahren stark zugenommen hat und durch die Corona-Pandemie weiter verstärkt wurde. Hinzu kommt der Personalmangel und die Pflege ist nun einmal eine Branche, in der man 365 Tage im Jahr und 24 Stunden rund um die Uhr da sein muss. Wir stehen also vor der wachsenden Herausforderung, eine dauerhafte Mehrbelastung für die Pflege zu vermeiden, was wiederum neue Anforderungen an das Management und entsprechende Management-Tools stellt. Zum Selbstmanagement der einzelnen Pflegekräfte kommt also die Expertise von den einzelnen Führungspersonen in den verschiedenen Settings hinzu, die Unterstützung leisten können und dabei natürlich auch selbst nicht davor gefeit sind, Mehrarbeit zu leisten. So ist mein persönlicher Eindruck, dass wir heute eine immer stärker belastete Branche vorfinden.

 

Auch wenn die Belastung der Branche zunimmt, sollen digitale Lösungen zukünftig dazu beitragen, mehr Zeit für die Pflege zu schaffen. Inwieweit können digitale Lösungen aus Deiner Sicht dazu beitragen, eine bessere Balance im Alltag zu ermöglichen?

Annemarie Fajardo: In der Tat findet man immer häufiger Einrichtungen, die Digitalisierung sinnvoll und effektiv zur Entlastung einsetzen. Viele Führungspersonen verfolgen zum Beispiel den Ansatz, die gesamte Pflegedokumentation digital abzubilden und daraus relevante Informationen für die eigenen arbeitsinternen Prozesse herauszufiltern, die zu einer Kompensation beitragen können. An vielen Stellen gelingt das schon ganz gut, jedoch findet die Anwendung der entsprechenden IT-Systeme nicht immer zu einhundert Prozent statt. Das bedeutet, dass letztendlich auch Zeit für Schulung aufgebracht werden muss, um die digitalen Systeme so anwenden zu können, dass ich als Pflegekraft für mich persönlich einen zeitlichen Gewinn erkennen kann. Wenn dem nicht so ist, reduziert sich womöglich auch mein Engagement, mich weiter mit der Thematik zu beschäftigen.

 

Zeit für umfassende Schulung ist in der Pflege häufig knapp. Bei der Ausgestaltung versprechen neue Digitalkonzepte daher zukünftig mehr Flexibilität. Welche Potenziale siehst Du persönlich in digitalen Fortbildungslösungen?

Annemarie Fajardo: Es gibt sehr interessante Fortbildungsplanungs- oder Personalentwicklungstools, die man über gewisse Softwareanbieter einsetzen kann. Einige PflegemanagerInnen, Pflegedienst- oder Einrichtungsleitungen arbeiten bereits punktuell mit solchen Lösungen, denn viele geschäftsführende Personen haben mittlerweile ein großes Interesse daran, den Bereich der Fort- und Weiterbildung auf digitale Füße zu stellen. Das hat vor allem Vorteile für die langfristige Planung, da ich als Führungsperson so eine optimale Schnittstelle im System vorliegen habe, um mir schnell einen Überblick zu verschaffen und bei direkter Kopplung zu den Kalenderfunktionen Termine einfach digital zu hinterlegen. Für den Mitarbeitenden selbst ist natürlich ein großer Vorteil, die Fortbildungsplanung bereits im Vorfeld einsehen zu können. So kann ich mich bilateral mit meiner Führungsperson austauschen, wenn einzelne Termine nicht passen oder man vielleicht seinen Urlaub aufgrund familiärer Angelegenheiten verschieben muss. Diese Möglichkeiten so zu nutzen, dass über digitale Tools eine ganz andere Transparenz im Sinne der Planung geschaffen wird, kann tatsächlich unterstützend auf das einzahlen, was eine Führungsperson zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf umsetzen muss – und das hat heute einen ganz großen Stellenwert.

 

Eine spannende Perspektive, denn wenn es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht, stehen weniger die Führungspersonen als die Pflegekräfte selbst im Fokus.

Annemarie Fajardo: Genauso ist es, im Prinzip gibt es immer zwei Perspektiven. Zum einen die Perspektive der Pflegekräfte und des Pflegepersonals, die sich auf operativer Ebene bewegen und mit ihrer Fachkompetenz, Berufserfahrung und Verantwortung tagtäglich rund um die Uhr bereitstehen, um den reibungslosen Ablauf aller Prozesse in den einzelnen Organisationseinheiten sicherzustellen. Dazu gehören natürlich auch die schichtleitenden Personen und die Wohnbereichsleitungen, die dem Ganzen natürlich in gewisser Art und Weise übergeordnet sind. Ab dort bewegen wir uns zum anderen auf einer Ebene, wo die Perspektive des Pflegemanagements die Rolle und somit die Verantwortung einnimmt, mehrere Prozesse in mehreren Organisationseinheiten zu steuern und zu überblicken, sodass man eigentlich zwangsläufig auf die Nutzung diverser Tools angewiesen ist. Denn gerade bei leitenden Personen mit viel Personalverantwortung kommt die Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben oftmals zu kurz. Natürlich ist es wichtig, die Pflegekräfte zu unterstützen, sie für den Beruf zu gewinnen und auch zu halten, aber wenn die Führungspersonen nicht oder nicht mehr da sind, weil sie Familie und Beruf nicht in Einklang bringen können, fehlt natürlich auch eine ganz wesentliche Schlüsselposition, die dafür Sorge trägt, dass gewisse Arbeitsbedingungen auch sichergestellt werden können. Nach meinen Erfahrungen nehmen sich die Führungspersonen selbst immer schnell zurück und springen beispielsweise auch als Pflegedienstleitung zusätzlich für Schichten ein. Daher bieten digitale Tools, sofern sie passend nach Bedarf eingerichtet wurden, auch eine Entlastung der Führungsperson selbst dar.

 

Auch im Jahr 2022 als starke Stimme auf der Altenpflege-Messe vertreten: Annemarie Fajardo im Panel-Talk mit v.l. Christian Linke, Francesca Warnecke, Felix Köppe und Claudia Kock 

 

Du selbst bringst langjährige Branchenerfahrung mit und konntest in dieser Zeit viele Perspektiven einnehmen. Um eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter zu fördern, hast Du Dich auch als Teil des Projekts GAP - Gute Arbeitsbedingungen in der Pflege zur Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf engagiert. Worum geht es bei der Initiative?

Annemarie Fajardo: Tatsächlich hatte ich 2019 das große Privileg, das Pilotprojekt mitzugestalten und mit meinem damaligen Kollegen Einrichtungen in ganz Deutschland aufzusuchen, zu betreuen und zu beraten. Wir haben Erstgespräche mit den Pflegedienst- und Einrichtungsleitungen sowie den geschäftsführenden Personen geführt, aber auch mit den Pflegekräften vor Ort. Auf dieser Basis haben wir einen Instrumentenkoffer entwickeln können, der Führungspersonen und den Teams in der Pflege dazu dienen kann, etablierte Routinen zu verändern, zum Beispiel den Dienstplan. Wie kann ich einen Dienstplan, der vom eigenen Gefühl vielleicht schon gut ist weiter verbessern? Wie kann ich alle vierzehn Tage sicherstellen, dass die betreffende Person an den Wochenenden frei hat und nicht einspringen muss? Natürlich ist das schon ein recht hoher Anspruch, aber wir haben über diesen Weg knapp dreißig Instrumente entwickelt, die in verhältnismäßig kurzer Zeit von den Führungspersonen und den Teams in der Pflege implementiert werden können. Dazu gehört zum Beispiel auch die Pausenregelung. Wie bekomme ich es organisatorisch hin, meine Pause auch wirklich einzuhalten? Das alles sind Überlegungen, für die man mithilfe von Coaches je nach Einrichtung individuelle Lösungen anbietet.

Die Ergebnisse des Pilotprojekts haben gezeigt, dass die Zufriedenheit bei den Pflegekräften nachweislich steigt und damit auch bei den KlientInnen. Dass der Bedarf hoch ist, zeigt die große Nachfrage. Im Pilotprojekt haben wir zunächst 25 Einrichtungen begleitet, deren Rückmeldung sehr positiv war. Im Folgeprojekt soll der Fokus nun verstärkt auf die Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf gelegt werden, damit man auch diese Komponente zukünftig zur Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit nutzen kann. Wenn man diese Förderung erhält, hat man als Einrichtung oder Pflegedienst die Möglichkeit, sich beraten zu lassen, welche Instrumente zum eigenen Beratungsbedarf passen und welches Veränderungs- oder auch Verbesserungspotenzial besteht. Bisher haben wir Anfragen von über 700 Einrichtungen erhalten, wovon bereits 300 Einrichtungen von ausgebildeten Coaches beraten werden. Hier sind vielfach auch geschäftsführende Personen dabei, die selbst viele Jahre als Pflegekraft gearbeitet haben und sehen, dass man an gewisse organisatorische Grenzen kommt und damit beginnen muss, an geeigneten Stellschrauben zu drehen.

 

Sicherlich konntet Ihr aus den Gesprächen auch Faktoren mitnehmen, bei denen heute noch Nachbesserungsbedarf besteht. Wagen wir einen Blick in die Zukunft: Welche Maßnahmen sind aus Deiner Sicht wichtig, um die Branche noch attraktiver für ArbeitnehmerInnen zu gestalten?

Annemarie Fajardo: Innerhalb des Projektes gibt es natürlich immer wieder Bedarf im Sinne der Beratung. Viele melden zurück, dass sie froh sind, eine beratende Unterstützung in Anspruch nehmen zu können – ohne konkreter zu werden, was die Leitfäden betrifft – denn die Budgets der Pflegedienste und Einrichtungen sind unglaublich knapp bemessen. In der Regel hat man nahezu keinen finanziellen Spielraum, um Beratungsleistungen in Anspruch zu nehmen und darüber hinaus Geld zur Umsetzung in die Hand zu nehmen. Wenn die Beratung selbst systematisch finanziert werden könnte, hätte man aus der Management-Perspektive eine ganz andere Flexibilität, um wichtige Knotenpunkte zu lösen, die an vielen Stellen für Entlastung sorgen könnten. Das ist tatsächlich ein politisches Thema, externe Beratungsleitungen im sozialwirtschaftlichen Bereich stärker in den Fokus zu stellen, wenn auch punktuell. So könnte man über diesen Weg noch mehr Unterstützung anbieten und wenn das dazu führt, dass Pflegekräfte im Beruf bleiben, weil die Zufriedenheit steigt, dann muss man sagen, ist die Arbeitszufriedenheit etwas, was man im Grunde nicht wirklich bezahlen kann.

 

Also kann die Mitarbeiterzufriedenheit ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg sein?

Annemarie Fajardo: So ist es, genau (lacht). Wenn man sich das als Pflegedienst oder Einrichtung auf die Fahne schreiben könnte, ist das sicherlich ein wichtiger Faktor, der auch auf die Personalgewinnung und Bindung einzahlt.

 

Vielen Dank für die spannenden Einblicke Annemarie und wer noch mehr zum Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Pflege erfahren möchte, kann sich schon jetzt auf die Altenpflege-Messe 2023 in Nürnberg freuen. Denn am 26. April dürfen wir Dich als Gastspeakerin auf unserem Messestand begrüßen, wo Du das Thema im gemeinsamen Panel-Talk mit Francesca Warnecke weiter vertiefst. Was erwartet die BesucherInnen?

Annemarie Fajardo: Auf jeden Fall wird es ein ganz bunter Blumenstrauß in der Hinsicht sein, dass es viele Facetten des Managements gibt, die sich auf die Verbesserung und Optimierung von Strukturen und Prozessen fokussieren. Aber natürlich braucht es dafür auch gewisse politische und rechtliche Rahmen, um mich in meiner Position als ManagerIn oder auch als Pflegefachperson bewegen zu können – denn ich gestalte eine Einrichtung nie nur nach innen, sondern auch nach außen und da ist es wichtig, die pflegepolitischen Grenzen zu erkennen. Auch das GAP-Projekt ist ein schönes Beispiel dafür, dass die Politik bestimmte Verbesserungsvorhaben zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützt und damit auch die Arbeitsbedingungen vor Ort. Das werden Themen sein, die wir im Panel weiterführend diskutieren werden.

 

Wir haben das Thema Work-Life-Balance in unserem Gespräch aus verschiedenen Perspektiven betrachtet, aber was bedeutet das für Dich persönlich?

Annemarie Fajardo: Wenn ich selbst noch als Pflegefachperson tätig wäre, würde das für mich bedeuten, dass ich die Arbeit, die ich mir vorgenommen habe und auch die Bedarfe meiner KlientInnen erfüllen konnte. Dass alle, die ich heute begleiten durfte, mir ein Gefühl der Dankbarkeit entgegenbringen konnten. Da wir in der Pflege auch oft mit neurologischen Erkrankungen zu tun haben, ist ein Feedback auch in Richtung der Pflegekraft zwar nicht immer möglich, aber wenn ich den Eindruck habe, dass meine KlientInnen zufrieden sind und ich selbst daran mitwirken durfte, dann ist das natürlich für mich ein gelungener Tag gewesen. Und dasselbe gilt auch, wenn ich als Pflegedienstleitung sagen kann, dass meine Mitarbeitenden heute sehr zufrieden mit ihrer Arbeit gewesen sind. (lacht)

 

Wir freuen uns sehr, dass Du Dir heute die Zeit genommen hast, uns erste Einblicke in das Thema Deines Panel-Talks auf der Altenpflege-Messe 2023 zu gewähren und Dich schon kommende Woche auf unseren Messestand F23 in Halle 7A begrüßen zu dürfen.

 

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